Stellungnahme der BAG Landesjugendämter zu den Eckpunkten zur Reform des Kindschaftsrechts und zur Reform des Abstammungsrechts
Eckpunkte des BMJ zu den Reformen
Das Bundesministerium der Justiz hat am 16. Januar 2024 zwei Eckpunktepapiere zur Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts mit Vorschlägen für neue Regeln im Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts.
Eckpunktepapiere zur angestrebten Reform des Sorge-, Umgangs- sowie Adoptionsrechts und des Abstammungsrechts
Das Bundesministerium der Justiz hat zwei Eckpunktepapiere zur Reform des Kindschaftsrechts sowie zum Abstammungsrecht vorgelegt und der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter die Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben.
Ausweislich der Pressemitteilung Nr. 4/24 zielt die Reform ab auf „eine Anpassung des Rechts an die soziale Wirklichkeit, wie sie Wissenschaft und Praxis seit vielen Jahren fordern. Das Kindeswohl steht bei uns an allererster Stelle. Unser Ziel ist ein Familienrecht für alle: ein Familienrecht, das für alle Familienformen die passenden Regeln bietet – und keine Familienform benachteiligt“.
Aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Landesjugendämter ist eine vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls nicht durchgängig gelungen. Daher begrüßen wir die Möglichkeit uns bereits zu diesem frühen Zeitpunkt mit einer Stellungnahme in den weiteren Gesetzgebungsprozess einbringen zu können. Die BAG Landesjugendämter begrüßt ausdrücklich die Pläne, das Kindschaftsrecht sowie das Abstammungsrecht so zu modernisieren, dass diese allen in der Gesellschaft gelebten Familienformen Rechnung tragen und dass die Stärkung der Rechtsstellung von Kindern im Fokus steht. Die vorgelegten Eckpunkte lassen die Grundzüge der geplanten Reform erkennen und erscheinen überwiegend geeignet, die Ziele zu erreichen. Allerdings können sich die Interessen von leiblichen, rechtlichen sowie Wunscheltern auf der einen Seite und von Minderjährigen auf der anderen Seite unterscheiden. Aus fachlicher Sicht ist dem Wohl der besonders schutzbedürftigen Kinder stets Vorrang einzuräumen. Unter dieser Prämisse ergeben sich Fragestellungen und Bedenken zu einigen vorgesehenen Maßnahmen, auf die wir hinweisen möchten.
1. Adoptionsrecht
Gemeinsame Adoption unverheirateter Paare mit gemeinsamem Wohnsitz
(Eckpunktepapier Kindschaftsrecht, S. 8f)
Die BAG Landesjugendämter befürwortet diesen Reformvorschlag, da für das Kind eine gemeinsame Adoption vorrangig sein soll, auch vor dem Hintergrund einer besseren rechtlichen und soziökonomischen Absicherung. Bei der gesetzlichen Normierung der Voraussetzungen empfiehlt sich eine Orientierung an den Kriterien des § 1766a BGB. Wichtig ist, dass neben den Formalkriterien eine darüber hinausgehende Prüfung der Stabilität der partnerschaftlichen Beziehung vorgegeben wird.
Möglichkeit der Einzeladoption bei Ehepaaren
(Eckpunktepapier Kindschaftsrecht, S. 14)
Die BAG Landesjugendämter hat erhebliche Bedenken bezüglich dieses Reformvorschlags. Mit der gemeinsamen Adoption durch unverheiratete Paare mit gemeinsamem Wohnsitz ist vor dem Hintergrund des Kindeswohls beabsichtigt, diesen eine gemeinsame Adoption zu ermöglichen. Angestrebt wird, dass Adoptivkinder, die in nichtehelichen Partnerschaften aufwachsen, nicht schlechter gestellt werden als diejenigen, deren Adoptiveltern verheiratet sind.
Es ist aus Sicht des Kindeswohls jedoch nicht zu befürworten, die Adoption eines Kindes ausschließlich durch einen Ehepartner zuzulassen. Hier würde die angestrebte Gleichbehandlung von Adoptionsbewerbenden eindeutig zu Lasten des Kindes gehen, weil diese schlechter rechtlich und wirtschaftlich als bisher abgesichert wären. Darüber hinaus sind negative Auswirkungen auf das Familiengefüge zu befürchten, die vorab wissenschaftlich untersucht werden sollten.
Sollte Einzeladoption durch einen Ehepartner zugelassen werden, stellt sich die Frage, ob das Kind in diesem Fall nur einen rechtlichen Elternteil erhält oder ob eine Rechtsbeziehung zu einem ursprünglichen Elternteil bestehen bleibt. Zudem ist zu beachten, dass sich unterhaltsrechtliche Fragen anschließen, weil die Ehepartner sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet sind, aber nur einer dem Kind gegenüber. Zudem dürften sich die Eignungsprüfungen durch Adoptionsvermittlungsstellen und die Kindeswohlprüfung durch Familiengerichte schwierig gestalten.
Die beabsichtigte Gleichstellung von ehelichen und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Wohnsitz sollte im Interesse der Kinder dadurch erreicht werden, dass in beiden Konstellationen ausschließlich die gemeinschaftliche Adoption möglich ist.
Umgangs- und Auskunftsrechte leiblicher Elternteile nach der Adoption
(Eckpunktepapier Kindschaftsrecht, S. 12f)
Die BAG Landesjugendämter hat erhebliche Bedenken gegen diesen Teil der Reformpläne.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 1686a BGB ursprünglich für den Fall geschaffen wurde, in dem bereits ein rechtlicher Vater existiert und der leibliche Vater Auskunft/Umgang zu dem Kind wünscht. Der BGH hat demnach die Norm entgegen der Gesetzesbegründung zu § 1686a BGB angewendet, wonach die Anwendbarkeit dieser Norm für Väter, die in die Adoption eingewilligt haben, ausgeschlossen sein sollte (Drucks. 17/12163 S. 12).
In dem Eckpunktepapier heißt es, die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des BGH sollen auch künftig gelten. Dies bedeutet aber, dass ein Umgangsrecht trotz erfolgter Einwilligung in die Adoption nur in bestimmten Fällen besteht. Ausdrücklich hat der BGH dies für die Fallkonstellation bejaht, dass bei einer privaten Samenspende bereits vor Zeugung verabredet wurde, dass der Samenspender als leiblicher Vater in die Adoption einwilligen wird, er das Kind jedoch kennenlernen soll und ein Kontakt bestehen soll. Dies erscheint auch interessengerecht in den Fällen, in denen es im Vorfeld der Adoption dahingehend (wenn auch rechtlich unverbindliche) Absprachen gab. Hauptargument des BGH war schließlich, dass der leibliche Vater mit der Einwilligung in die Adoption nicht (zwingend) gleichzeitig auf das Umgangsrecht verzichtet, wenn zuvor eine Absprache bezüglich eines Umgangs stattfand und er sich daher mit der späteren Geltendmachung seines Umgangsrechtes nicht im Widerspruch zu seiner Einwilligung in die Adoption verhält.
Der BGH stellt in seiner Entscheidung jedoch klar, dass die Einwilligung in die Adoption durchaus auch als Verzicht auf den Umgang mit dem Kind gesehen werden kann. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn bereits kurz nach der Geburt eine Adoption erfolgt. Es entspräche daher weder der heutigen Praxis der Jugendämter, noch den bisherigen gesetzlichen Wertungen oder der aktuellen Rechtsprechung, wenn die Einwilligung in die Adoption grundsätzlich nicht mit einem Verzicht auf das Umgangsrecht verbunden wäre.
Mit Blick auf die im Eckpunktepapier vorgesehenen Möglichkeit, bereits vor der Zeugung den Umgang durch notarielle Vereinbarungen zu regeln, stellt sich die Frage, ob es einen Bedarf an einer gesetzlichen Ausweitung des Umgangsrechts auf Elternteile gibt, die ein Kind zur Adoption geben oder ob nicht die Möglichkeit einer dahingehend (verbindlichen) Vereinbarung ausreichend ist.
Sofern man die Norm dennoch geschlechtsneutral und im Hinblick auf leibliche Elternteile, die in eine Adoption einwilligen, formulieren möchte, erscheint es aus unserer Sicht geboten, dies als Ausnahmetatbestand mit engen und klar geregelten Voraussetzungen zu formulieren. Es sollte klar geregelt werden, wer sich auf die Norm berufen darf (z. B. diejenigen, die aufgrund einer Absprache/Vereinbarung ausdrücklich nicht auf ein Umgangsrecht verzichtet haben). Möglich wäre auch, zusätzlich Kriterien, an welchen ein nachhaltiges Interesse an dem Kind festgemacht werden kann, festzuhalten.
Eine uneingeschränkte und grundsätzliche Anwendung der Regelung auf leibliche Eltern, die in die Adoption ihres Kindes wirksam eingewilligt haben, passt nicht zur aktuellen Rechtssystematik. Die Minderjährigenadoption soll gemäß §§ 1754, 1755 BGB als Volladoption ausgestaltet bleiben. Zudem dürfte die Möglichkeit einer eventuellen Geltendmachung solcher Rechte Adoptionsinteressierte erheblich verunsichern und Adoptivfamilien belasten. Diese würden sich unabhängig von der gewählten Adoptionsform oder etwaigen Vereinbarungen mit Umgangsverfahren der leiblichen Eltern konfrontiert sehen. Das gleiche gilt für die Auskunftsrechte, welche § 1686a BGB gewährt.
2. Abstammungsrecht
Elternschaftsvereinbarung
(Eckpunktepapier Abstammungsrecht, S. 4 und 6ff, FAQ, S. 14f)
Die BAG Landesjugendämter sieht die vorgesehene Möglichkeit zum Teil kritisch, vor Zeugung eines Kindes eine Vereinbarung u. a. über dessen rechtliche Zuordnung zu schließen. Diese würde zwar für alle Vertragsparteien die rechtlichen Konsequenzen einer Geburt klären und könnte spätere belastende Konflikte vermeiden. Auch das Interesse jedes Kindes an einer klaren, frühzeitigen und dauerhaften rechtlichen Zuordnung der Elternschaft würde gewahrt. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass einzelne Vereinbarungen den Interessen des Kindes zuwiderlaufen. Es wird zu erwägen sein, ob betroffene Kinder neben dem bereits vorgesehenen Einsichtsrecht weitere Rechte besitzen sollen. Das erscheint umso wichtiger, je mehr Gegenstände vertraglich gestaltet werden dürfen, zumal als Konsequenz die Anwendung im gesellschaftlichen Diskurs entstandener, wohlabgewogener gesetzlicher Regelungen ausgesetzt wird. Alternativ könnten die zulässigen Regelungsinhalte durch entsprechende Normierung beschränkt und abschließend geregelt werden. Das würde zudem Jugendämtern die Prüfung solcher Vereinbarungen vor der vorgesehenen Beurkundung erleichtern.
Anfechtungsrecht der Elternschaft der rechtlichen Mutter
(Eckpunktepapier Abstammungsrecht, S. 12)
Die BAG Landesjugendämter sieht Klärungsbedarfe bei der geplanten Regelung.
Nach bestehender gesetzlicher Regelung ist materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanfechtung die Tatsache, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist, § 1599 Abs. 1 BGB. Gerade diese Situation ist bei der Anfechtung der „Mit-Mutterschaft“ in der Regel nicht gegeben. Diese Frau ist meist nicht genetisch mit dem Kind verwandt. (Ausnahme: vorherige Geschlechtsumwandlung oder Eizellspende der „Mit-Mutter“).
Allerdings ist ein Anfechtungsrecht der „Mit-Mutter“ in Fällen vorstellbar, in denen die Geburtsmutter unabgesprochen von einem Mann auf natürliche Weise oder mittels Samenspende schwanger wird. Das Anfechtungsrecht der „Mit-Mutter“ sollte aber bei absprachegemäßer Samenspende durch einen Dritten ausgeschlossen sein, vergleichbar § 1500 Abs. 4 BGB bzw. § 1600 Abs. 4 BGB (Ehemannes als rechtlichem Vater steht nach Samenspende kein Anfechtungsrecht zu). Das ist bei medizinisch assistierter Samenspende weniger ein Problem; genau durchdacht werden müsste aber in diesen Fallkonstellationen die Regelung bei privaten Becherspenden.
Erweiterung des Samenspenderregisters
(Eckpunktepapier Abstammungsrecht, S. 15)
Die BAG Landesjugendämter begrüßt die geplante Weiterentwicklung, da sie es durch Samen- oder Embryonenspende entstandenen Kindern erleichtert, ihre genetische Abstammung zu klären. Es wird angeregt, zudem den Auskunftsanspruch in § 10 Abs. 2 SaRegG dahingehend zu ergänzen, dass auch Auskunft verlangt werden kann, über wie viele weitere Kinder Daten gespeichert sind, die durch künstliche Befruchtung mit Spermien des Samenspenders gezeugt wurden. Das Wissen, ob und wie viele (Halb-)Geschwister existieren, kann für die Identitätsbildung von Kindern bedeutsam sein.